Özgür Radyo

Ein Rat für bessere Integration?

Die Nürnberger Zuwanderer und Zuwanderinnen sollen am 13. März 2016 ihre neue „Interessenvertretung“ wählen. Den sog. „Nürnberger Rat für Migration und Zuwanderung“, kurz „Integrationsrat“, der ein „Bindeglied zwischen der Stadt und der Bevölkerung mit Zuwanderungshintergrund“ sein soll, wie es so schön heisst. 

Der frühere „Ausländerbeirates“ , der seit immerhin 1973 bestanden hat, genauso wie die des „Aussiedlerbeirates“, den es seit 1984 gab. Statt den Beiräten sollte es zukünftig also einen neuen Rat, den Integrationsrat geben. Das ist bei dem wähl am 23 März 2010 stattgefunden.

 Keine Frage, das klingt und ist auch erst mal positiv. Doch wie sieht es mit seinen Funktionen aus, seinen Möglichkeiten der wirklichen Mitbestimmung? Also das, auf was es wirklich ankommt? Schlecht. So wie es aussieht wird er lediglich die selbe, nur beratende Funktion haben, wie zuvor schon die Beiräte.

Presseberichten zu folge leben in Nürnberg 150 000 Menschen mit Migrationshintergrund. Alle Volljährigen, die seit mindestens 6 Monaten in Nürnberg leben sind nun zur Wahl des Integrationsrates aufgerufen, was man auch immer unter Integration verstehen mag.

Das Interessante ist, dass auch deutsche Staatsbürger zur Wahl aufgerufen werden, sie müssen in ihrer Familienbiographie nur irgendwo einen „Ausländer“ nachweisen, also Vater, Mutter, Groß- ja oder  sogar die Urgroßeltern aus einem anderen Land stammen. Schön mag sich da der eine oder andere denken, dass man als normaler deutscher Staatsbürger gleich noch mal seine Integration wählen darf, nämlich irgendwie doch als Ausländer, als Zugewanderter, als Aussiedler, als Anderer, nur weil zufälligerweise ein direkter Verwandter nicht schon immer „deutsch“ war. Menschen die hier geboren und aufgewachsen sind, könnten mit dieser Wahl erinnert werden, dass sie noch immer keine richtigen Deutschen sind. Egal was für Argumente es gibt, es lohnt sich nicht für so ein funktionsloses Gremium die Identität der Menschen in Frage zustellen.

Seit Jahrzehnten wird das kommunale Wahlrecht für Migranten und Migrantinnen gefordert. Die Politik war bis zum heutigen Tag aber nicht in der Lage, diesbezüglich eine zeitgemäße Regelung zu finden.

Mit dem Maastrichter Vertrag haben Menschen, die aus EU Ländern stammen, seit Anfang der 90er Jahre das kommunale Wahlrecht in Deutschland. Im Jahr 2000 waren damit in Deutschland 1,5 Millionen Menschen aus EU-Ländern wahlberechtigt, in der ganzen EU 4,6 Millionen, die ihre demokratischen Partizipationsmöglichkeiten wahrnehmen konnten.

Gleichzeitig gibt es aber in der EU immer noch 9 Millionen Menschen über 18 Jahre und in Deutschland 3,8 Millionen, die aufgrund ihrer Herkunft kein Recht haben, an der Gestaltung der Gesellschaft teilzunehmen.

In EU-Ländern wie Belgien, Holland, Schweden, Dänemark, Finnland, Irland oder Großbritannien haben Migranten und Migrantinnen auch aus Nicht-EU-Ländern längst das kommunale Wahlrecht und damit gute Erfahrungen gesammelt.
Aber es gibt andere EU Länder wie Frankreich, Griechenland, Italien, Österreich und Deutschland, wo das kommunale Wahlrecht bis heute an die Staatsbürgerschaft gekoppelt ist.

Auch in Nürnberg leben ca.15000 Menschen über 18, die nicht an den Kommunalwahlen teilnehmen dürfen. Wenn man betrachtet, dass seit über 60 Jahren Migranten und Migrantinnen in Deutschland leben, wenn man betrachtet, dass sich fast 15 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund hier aufhalten, dann müssten die Gesetze doch auch endlich zeitgemäß gestaltet werden.

Eine diesbezügliche Grundgesetzänderung bräuchte eine 2/3 Mehrheit in Bundestag und Bundesrat. Doch bei den bisherigen Machtverhältnissen bleibt das ein Wunsch – und ist ein Minuspunkt für die Demokratie in Deutschland, in der doch alle Menschen eigentlich gleiche Rechte haben sollten.

Da der größte Teil der Migranten und Migrantinnen also kein Mitbestimmungsrecht haben, sollen sie wenigstens eigene Gremien haben, die sie auch selbst wählen dürfen!!! So wie den Ausländerbeirat, den Aussiedlerbeirat oder jetzt eben den Integrationsrat. Aber bitte nur beratend, wo kämen wir auch hin, wenn jeder eine Mitbestimmung hätte. Eine Sache wird also nicht unbedingt besser, nur weil man den Namen ändert. Der Inhalt bleibt gleich.

Das Bundesverfassungsgericht hat 1990 das kommunale Ausländerwahlrecht behandelt und entschieden, dass „Ausländer zwar zur Bevölkerung, nicht aber zum deutsche Volk gehören.....“. Jetzt werden die, ob eingebürgert oder nicht,, Mann oder Frau, schwarz oder weiss, alle mit Migrationshintergrund und nicht „dem Deutschen Volk“ angehören zur Wahl aufgerufen, um ein Gremium zu wählen, das „ein Bindeglied zwischen Stadt und Bevölkerung mit Migrationshintergrund sein soll“.

Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly hat die Integration zur Chefsache ernannt.
Und das in Nürnberg einiges passiert, ist nicht zu leugnen. Ob allerdings ein rein beratendes Gremium wie der Integrationsrat ein Meilenstein zur besseren Integration sein wird, darf getrost verneint werden. Also, es gibt noch viel viel zu tun. Übrigens von allen Seiten der Gesellschaft. Keine Frage, es ist kein leichter Weg, der gemeinsam bestritten werden muss. 

In der Hoffnung, dass wir die Zeiten erleben, in dem ALLE Menschen mit gleichen Rechten und friedlich zusammenleben. Wo es keinen Integrationsrat mehr braucht und gibt und schon gar keinen ohne wirkliche Rechte. 

Ali Sahverdi, 05.03.2016  Nürnberg

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Integrationsrat: Ein Kommentar

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